Else Panneks Website Narzissenleuchten.de

 

 

 

Opas Land


Wenn ich Grasnelken seh, denk ich an Opas Land.

Opas Land war ein Schrebergarten, und Opa war stolz auf sein Land. Sagte mal jemand, natürlich ein Erwachsener, dass ein kleiner Schrebergarten eben ein kleiner Schrebergarten sei, so wies er ganz bedächtig auf dessen Höhe und Tiefe hin.

Dieser Garten war ein Stück Land, aus dem uns Blumen, Obst und Gemüse entgegenwuchsen.
Hinter der grünen Ligusterhecke leuchteten sonnengelbe Trollblumen und den Weg zur Laube säumten mit Grasnelken eingefasste Blumenbeete. Dort wuchsen Schneeglöckchen, Krokus, Perlhyazinthen, Narzissen, Tulpen, Türkenbund, Phlox, Astern und und und. Vom Phlox zupften wir Blüten ab und sogen etwas Süße daraus. Die Schneeglöckchen wurden begrüßt, sobald ihre ersten Blätterspitzen hervorlugten. Sie wurden fast aus der Erde geliebt.

Jeder Aufenthalt auf Opas Land begann mit einem knisternden Reisigfeuer in dem von Opa gemauerten Herd. Dann duftete es nach Kaffee. Die Erwachsenen stärkten sich für die Arbeit, mein gleichaltriger Cousin und ich konnten spielen.


Else, Oma, Cousin. Zum Vergrößern anklicken!

Beim Pflaumenbaum durften wir buddeln. Das taten wir ausgiebig, füllten die Kuhle mit Wasser und setzten uns hinein. — Niemand hatte was dagegen. — Wasser holten wir eimerweise von der Pumpe. Es schmeckte anders als aus dem Wasserhahn. Es war kühl, frisch und erinnerte ein wenig an die manchmal abgelutschte Verzierung eines Eisengitters. Bei der Pumpe gab es einen winzigen Goldfischteich. Ein kleines Viereck, etwas Schilf, sauberes Wasser und muntere Goldfische.

Gemüse und Obst, noch grün oder reif, angeknabbert wurde alles. Süße Erbsen und die Schoten genossen, Gurken mit den Zähnen geschält und Wurzeln endlos gekaut. Es wurde nicht weniger, der Mund blieb voll.

Wir hatten viel zu naschen. Da gab es Stachelbeeren, säuerliche rote und herbe schwarze Johannisbeeren, süße Kirschen, Schattenmorellen und Pflaumen. Eine stachelbewehrte Hecke mit süßen schwarzen Brombeeren wehrte sich immer. "Huhu, ich hab mich an Opas Brommelbeern geraatscht. Huhu!"

Es gab einen Misthaufen und grünschillernde Brummer. Und es gab ein Häuschen mit Herz. Im Häuschen befand sich ein großes gerahmtes Bild. Meine Mutter hatte das Sitzbrett des Häuschens, mit Gemüse darauf, gezeichnet und dazu geschrieben:

"Hier wird gesammelt von Mann und Frau
Liebesgaben für den Ackerbau.
Drum sitzet und drücket und drängelt mit Kraft
für die notleidende Landwirtschaft."

Ich hatte eine Meise gefangen. Unaufgeregt hockte sie in meiner Hand, ließ sich betrachten und beschnuppern. Sie roch nach Bisquit. Ich hielt sie hoch. "Riech mal, Mutti, riecht wie Keks!"

Ich erinnere mich an den kleinen grünen Laubfrosch. Sein Herz klopfte so sehr, dass ich es sah. Und vor Angst hatte er mir in die Hand gemacht.

Gesammelte Regenwürmer verwahrte ich in meinem blauen Teekessel und machte den Deckel zu. — Sie krochen alle aus der Tülle wieder heraus.

Ein Foto zeigt uns, nicht gerade sauber und in abenteuerlichen Kitteln, wie wir mit einem Riesenspaß Seifenblasen in die Luft pusteten.
Interessant war der Fotoapparat meiner Mutter. Öffnete man ihn, so fuhr das Objektiv ziehharmonikaartig heraus. In die Rückseite wurde eine Platte gelegt. — Eine Platte für ein Bild. —


Opa, Oma. Zum Vergrößern anklicken!

Wir wurden hungrig und wir bekamen zu essen. Oma konnte wunderbar kochen. Und wenn sie sah, dass es mir so richtig gut schmeckte, lächelte sie und sagte: "Lekkertehn, machs ok greune Seep?"

Der junge Apfelbaum trug zum ersten Mal. Opa stand mit seinen kleinen Enkeln davor. Die Köpfe im Nacken, erspähten wir, inmitten grüner Blätter, zwei Äpfel.
"Die sind für euch. Wartet nur, bis sie reif sind, dann bekommt ihr sie."
Die allerersten Äpfel hatte Opa für uns.


April 2008